So, weil der Epilog so schön kurz war folg nun auch gleich der Beginn des ersten Kapitels. Diesen Anfang habe ich mittlerweile in gefühlt 100 Versionen. Viele Anregungen aus dem Schreibkurs sind hineingeflossen und mein Protagonist ist mittlerweile deutlich frecher geworden, als er es zu Anfang war. Ich selbst bin ja nicht so frech, hoffentlich hilft er mir dabei, seinen Charakter zu halten.

1. Kapitel, 1. Absatz – „Schöne Männer küsst Mann nicht“

»Wie siehst du denn schon wieder aus!«
Das ist typisch meine Mutter. Ich habe noch nicht richtig die Tür geöffnet und schon hat sie was auszusetzen.
»Finde es auch schön, dich zu sehen«, murmel ich.
»Wenn du dich mal ordentlich anziehen würdest, müsste ich auch nicht immer so entsetzt sein. Deine halbe Brust schaut ja aus dem Hemd heraus. Und warum um Himmels willen trägst du überhaupt ein Seidenhemd im Stall?«
»Den Pferden gefällt`s.« Ich schnaube und lasse mich auf den freien Hocker am Küchentisch plumpsen.
Meine Mutter, die auf dem anderen Hocker sitzt, schiebt mir ihr Schneidebrett, den Sparschäler und einen Teller mit Spargel zu. »Schäl die mal, ich wasche derweil die Kartoffeln.«
Ich nicke und beginne, einen Spargel zu schälen. Solange ich sitzen und meine Beine ausruhen kann, ist mir gerade alles recht. Der Nachmittag im Stall war wieder ganz schön anstrengend gewesen.

Meine Mutter leert einen Sack Kartoffeln ins Spülbecken und lässt Wasser einlaufen. Während sie die Kartoffeln schrubbt, fragt sie mich: »Wir wollen Morgen zu Tante Marta zum Geburtstag fahren. Zum Kaffeetrinken. Wie ich sie kenne, gibt es auch Abendessen. Kommst du mit?“

Ich halte inne. »Ich dachte, sie will nicht feiern?«
»Jetzt hat sie es sich anders überlegt. Sie möchte doch alle sehen und würde sich freuen, wenn wir gemeinsam kommen würden.«
»Na ja, ich hatte mich schon verabredet.«
»Mit wem denn? Vielleicht kannst du es ja verschieben?«
»Mit Max und ein paar anderen Freunden. Eigentlich war das fest eingeplant.«
»Max?« Meine Mutter zieht die Augenbrauen nach oben.
Ich stöhne. »Mama, Max ist nichts als ein Freund.«
»Sicher?«
»Ach Mama, kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen damit?«
»Du musst ja nicht gleich so zickig werden. Ist ja nicht so, als ob da noch nie was gewesen wäre.« Mit diesen Worten wirft sie eine Kartoffel in den Topf neben sich.
»Hat schon mal irgendwer was zu dir gesagt?«
»Nein, aber mir ist wichtig, dass das auch so bleibt! Dass du so auffällig herumläufst, reicht mir schon. Umso besser, wenn du am Samstag mit zu Tante Marte kommst.«
Ich verdrehe die Augen. »Das kannst du vergessen!«


In diesem Moment geht die Tür auf. Mein Vater schiebt seinen kräftigen Körper in die Küche. »Hallo ihr beiden. Was für ein Tag.« Seufzend legt er seine Brille auf die Anrichte und reibt sich die Augen. Dann schaut er mich an. »Ach Tom, kannst du nicht mal deine Stallhose ausziehen, wenn du hier bist? Und was soll bitte dieses alberne Hemd dazu? Wir haben doch nicht Karneval!«
»Mama wollte, dass ich beim Kochen helfe.«
»Aber die dreckigen Klamotten hier drin, das muss doch nicht sein! Apropos der ganze Dreck aus dem Stall: Es wird wirklich Zeit, dass du dich bewirbst. Nicht mehr lange und du hast deinen Schulabschluss. Dann suchst du dir hoffentlich eine richtige Ausbildung. Im Stall kannst du nicht ewig jobben.«
»Ja, ich weiß. Am Wochenende schreibe ich meine Bewerbung.«
»Ich dachte, du bist mit Max verabredet?«, fällt mir meine Mutter ins Wort.
Mein Vater runzelt die Stirn. »Kann ich vielleicht mal ausreden?« Sein Blick durchbohrt mich. »Du hattest genug Zeit, dir Gedanken zu machen. Die guten Ausbildungsplätze sind schnell weg. Bei uns in der Steuerabteilung gibt es wieder Ausbildungsplätze. Wäre das nicht was? Die Übernahmechancen sind erstklassig.«
»Auf keinen Fall! Da kann ich mich ja gleich einweisen lassen. Ich habe doch schon gesagt, dass ich Physiotherapeut werden will.«
»Aber dafür gibt es hier keine Ausbildungsplätze.«
Umso besser, denke ich. So langsam gehen mir meine Eltern echt auf die Nerven. »Ich hoffe, ich bekomme einen Platz in Köln.«
Meine Eltern starren mich an. Na wenigstens hat es ihnen für einen Moment die Sprache verschlagen. »Und Morgen komme ich nicht mit zu Tante Marte. Soll sie sich doch das nächste Mal früher überlegen, dass sie feiern möchte.«

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